Das Projekt T.E.P. der Jugendberufshilfe ist ein echtes Erfolgsmodell und geht jetzt ins achte Jahr. Warum ist es wichtig, jungen Eltern die Möglichkeit zu geben, ihre Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren?
Ruth Schlüter: Eine Ausbildung mit Kind ist eine höhere Belastung und stellt eine große Herausforderung dar: Kinder brauchen Aufmerksamkeit. Durch eine Teilzeitausbildung haben die jungen Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Arbeits- und Betreuungszeiten; die sind nämlich in der Regel nicht deckungsgleich. In vielen Bereichen wird der reguläre Betreuungsrahmen sogar gesprengt, beispielsweise im Handwerk oder im medizinischen Sektor. Wie soll eine Frau, die ihr Kind morgens um 7 Uhr an einem Ort abgibt, zur gleichen Zeit an einem anderen sein? Auch im Verkauf sind die Hauptarbeitszeiten inzwischen abends und am Wochenende.
Die jungen Eltern müssen also einen schwierigen Spagat zwischen Ausbildung und Alltag schaffen. Erhalten sie dabei Unterstützung? Wie werden sie während des Projekts begleitet?
Das ist sehr individuell, bei jeder Frau und in jeder Lebenssituation anders. Noch bevor die Ausbildung beginnt, werden die Mütter sechs Monate begleitet. Sie erhalten Informationen zur Finanzierung der Ausbildung und Unterstützung beim Stellen von Anträgen. Es gibt Einzelgespräche, in denen es um Rahmenbedingungen sowie die Klärung des Berufswunsches und der Kinderbetreuung geht. Zusätzlich bieten wir ein Seminarprogramm zur Auffrischung der Schulkenntnisse an.
Dort lernen die Teilnehmerinnen zudem das Auftreten im Betrieb oder im Vorstellungsgespräch: Das wird alles vorher geübt. In Gesprächskreisen zu Erziehungsfragen treffen sie andere Frauen in ihrem Alter, die ebenfalls eine Ausbildung machen. Die haben die gleichen Themen und zum Teil schon gute Lösungen gefunden – ein schönes Erlebnis! Emotionale Unterstützung ist besonders in den ersten anstrengenden Monaten der Ausbildung wichtig: Die Kinderbetreuung hat sich verlängert, die Teilnehmerinnen sind neu im Betrieb und die Berufsschule fängt an. Da reichen zwölf Stunden am Tag manchmal nicht aus. In solchen Situationen können sie mich ansprechen. Wir kennen uns dann schon ein halbes Jahr, ein Vertrauensverhältnis ist entstanden. Im Betrieb ist noch alles ganz neu.
Profitieren auch die Unternehmen, wenn sie sich bei T.E.P. engagieren? Welche konkreten Vorteile haben Arbeitgeber durch die Einstellung der Projektteilnehmer?
Unternehmen haben häufig das Problem, geeignete Bewerber für ihren Ausbildungsplatz zu finden. Da kann ich die Betriebe entlasten: Geht die Teilzeitausbildung über das Projekt T.E.P., kenne ich die Erwartungen der Firmen sowie die jeweiligen Teilnehmerinnen und schlage sie dann gezielt vor. Außerdem hat sich gezeigt, dass Frauen mit Kindern belastbarer, organisierter und zielorientierter sind als andere Auszubildende. Das schlägt sich in der Statistik nieder: Über 90 Prozent schließen ihre Ausbildung ab. Einige haben die Ausbildung trotz Teilzeit sogar verkürzt! Die Teilnehmerinnen haben natürlich ein Interesse daran, sich auf Dauer einen Arbeitsplatz, eine berufliche Perspektive zu schaffen.
Gerade hat T.E.P. fünf zusätzliche Plätze erhalten. Gibt es besondere Gründe, weshalb das Projekt bei der Jugendberufshilfe Essen so gut funktioniert?
Unsere Vermittlungszahlen waren in den letzten Jahren sehr gut: Von zehn Plätzen konnten wir oft alle zehn Teilnehmerinnen in eine Teilzeitausbildung vermitteln. Die Jugendberufshilfe hat seit mehr als 20 Jahren über verschiedenste Projekte, Praktika oder kooperative Ausbildung enge Kontakte zu Firmen. Viele Unternehmen kennen uns deshalb als einen zuverlässigen und vertrauensvollen Partner.
Wir suchen immer neue, an Teilzeitausbildung interessierte Betriebe, informieren über dieses Ausbildungsmodell und stehen natürlich für alle Fragen zur Verfügung. Zudem werden wir vom JobCenter Essen unterstützt: Ein Großteil der Teilnehmerinnen empfängt wegen ihres Kindes Leistungen nach SGB II. Ich selbst arbeite ebenfalls seit 20 Jahren bei der Jugendberufshilfe immer in Projekten, in denen es um die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ging.
Bald geht es wieder los! Was müssen interessierte Mütter und Vater wissen? Wie sieht die Bewerbung aus? Gilt es, spezielle Fristen zu beachten?
Richtig, Interessierte können mich jederzeit für 2018 kontaktieren! Fristen gibt es keine zu beachten, aber die jungen Eltern sollten sich im Vorfeld über ihren Berufswunsch klar werden, sich auf BERUFENET informieren und herausfinden, wie eine Ausbildung in dem Job aussieht. Die Kinder sollten schon einmal für eine Vollzeitbetreuung in einer Kita oder bei einer Tagesmutter angemeldet werden.
Außerdem vereinfacht es den Ablauf, Schulzeugnisse oder eine Anerkennung des Schulabschlusses sowie wichtige Unterlagen vorzubereiten. Für weitere Infos melden sich Interessierte einfach unter Telefon 0201 88 54 310 oder per E-Mail an r.schlueter@jh-essen.de.
T.E.P: Teilzeitausbildung mit fünf zusätzlichen Plätzen